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Insolvenzverfahren über Vermögen der Wirecard AG eröffnet: Dr. jur. Michael Jaffé zum Insolvenzverwalter bestellt

Verwertungsprozesse werden weiter vorangetrieben

25. August 2020
  • Geschäftsbetrieb wird fortgeführt – Redimensionierung bestehender Strukturen notwendig – Neuorganisation zukunftsfähiger Bereiche

Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 25. August 2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG sowie sechs weiterer deutscher Wirecard-Gesellschaften eröffnet und Dr. jur. Michael Jaffé von der Kanzlei JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter jeweils zum Insolvenzverwalter bestellt. Damit geht die Verfügungsgewalt über das Vermögen der insolventen Gesellschaften auf den Insolvenzverwalter über.

Mit dem Datum des Beschlusses endet gleichzeitig der Insolvenzgeldzeitraum, so dass die Wirecard AG sowie die übrigen insolventen Gesellschaften Löhne und Gehälter ab diesem Zeitpunkt wieder selbst erwirtschaften und bezahlen müssen. Zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung Ende Juni 2020 stand dafür keine Liquidität zur Verfügung. Unter der vorläufigen Insolvenzverwaltung gelang es seitdem, das laufende Geschäft zu stabilisieren und die Basis für eine weitere Fortführung zu schaffen.

Mit Insolvenzeröffnung müssen jedoch die bestehenden Strukturen redimensioniert werden. Die Cash-Burn-Rate bei Insolvenzantragstellung war enorm, so dass dringender Handlungsbedarf besteht. Das Unternehmen hatte Ressourcen für ein nur vermeintliches Wachstum aufgebaut und mit dem Erwerb zahlreicher Gesellschaften, deren Integration nicht oder nur schleppend betrieben wurde, erhebliche Überkapazitäten geschaffen. Diese Faktoren führten zu hohen Verlusten und zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen den vorhandenen und den tatsächlich benötigten Ressourcen im Konzern.

Um vor diesem Hintergrund eine Fortführung überhaupt möglich zu machen und die Option einer Verwertung des Kerngeschäfts der Wirecard AG, des sogenannten Acquiring- und Issuing-Geschäfts, aufrecht zu erhalten, sind daher tiefgreifende Einschnitte erforderlich. So müssen sowohl Kündigungen in Bezug auf die Infrastruktur (Immobilienmiet- und Leasingverträge) wie auch für rund 730 Mitarbeiter*innen ausgesprochen werden. Rund 570 Arbeitnehmer*innen (davon rund 350 in den insolventen Gesellschaften und rund 220 in der nicht insolventen Wirecard Bank AG) können dadurch jedoch am Standort Aschheim weiter beschäftigt bleiben. Auch die Vorstandsverträge werden insolvenzbedingt gekündigt.

„Die wirtschaftliche Lage der Wirecard AG war und ist angesichts der fehlenden Liquidität und der bekannten skandalösen Begleitumstände äußerst schwierig. Mit den üblichen Restrukturierungs- und Kostenanpassungsmaßnahmen ist es daher nicht getan, denn eine so massive Verlustsituation ist im eröffneten Insolvenzverfahren unter Vollkosten nicht darstellbar. Demgemäß müssen Arbeitnehmerzahl und alle weiteren Kostenpositionen bei allen insolventen Gesellschaften der unternehmerischen Wirklichkeit angepasst werden. Im Verkaufsprozess für das Kerngeschäft, in dessen Rahmen auch die nicht insolvente Wirecard Bank AG am Markt angeboten wird, stehen wir aktuell mit mehreren namhaften Interessenten in Verhandlungen über einen Erwerb. Die Erlöse aus der Verwertung werden dabei den Gläubigern zugutekommen“, betont Insolvenzverwalter Dr. jur. Michael Jaffé.

Daneben laufen die Investorenprozesse für die unabhängigen internationalen Tochtergesellschaften unter Hochdruck. Vor wenigen Tagen konnte bereits ein Vertrag über den Verkauf der Wirecard Brazil S.A. unterzeichnet werden. Der Verkaufsprozess für die Tochtergesellschaft Wirecard North America Inc. ist ebenfalls weit fortgeschritten. Auch die Verwertungsprozesse für die weiteren Wirecard Beteiligungen weltweit machen Fortschritte.

Prüfung von Schadenersatzansprüchen – Gläubigerversammlung am 18.11.2020

Parallel zu den Verwertungsprozessen läuft auch die Aufklärung der Vorgänge, die zur Insolvenz geführt haben. Die Prüfung etwaiger, aus unerlaubten Handlungen oder Pflichtverletzungen resultierender Haftungsansprüche wird jedoch angesichts des enormen Umfangs der zu prüfenden Daten und Zahlungsvorgänge noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Allen erfolgversprechenden und werthaltigen Schadenersatzansprüchen wird dabei vom Insolvenzverwalter nachgegangen werden.

Am 18. November 2020 findet die erste Gläubigerversammlung, der sogenannte Berichtstermin, statt. Diese erste Gläubigerversammlung soll nach derzeitigem Stand als Präsenztermin im Löwenbräukeller in München stattfinden. Aufgrund der Covid-19 Hygienevorschriften wird die Teilnehmerzahl dabei allerdings begrenzt sein müssen – nach den dann geltenden Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung. Der Berichtstermin ist nicht öffentlich und steht daher nur den Insolvenzgläubigern offen. Diese können jedoch auch einen Vertreter zur Teilnahme schriftlich bevollmächtigen. Es wird jedoch nur eine vertretungsberechtigte Person pro Gläubiger zugelassen, wenn ansonsten andere Gläubiger keinen Einlass finden könnten. Die Teilnahme der Gläubiger ist nicht zwingend vorgeschrieben. Der Insolvenzverwalter wird den Gläubigern einen schriftlichen Bericht zur Verfügung stellen, der auch im Gläubigerinformationssystem abrufbar sein wird.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können die Gläubiger der Wirecard AG sowie der ebenfalls insolventen Wirecard Technologies GmbH, der Wirecard Issuing Technologies GmbH, der Wirecard Service Technologies GmbH, der Wirecard Acceptance Technologies GmbH, der Wirecard Sales International Holding GmbH sowie der Wirecard Global Sales GmbH nun auch in den jeweiligen Verfahren ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Das zuständige Amtsgericht München bestimmte dafür eine Frist bis zum 26.10.2020. Den bekannten Gläubigern wird der Insolvenzverwalter ein Formular zur Forderungsanmeldung übersenden. Es steht auch im Internet unter www.jaffe-rae.de zum Download zur Verfügung.

Medienkontakt für den Insolvenzverwalter:
Sebastian Brunner
Tel.: +49175/5604673

E-Mail: sebastian.brunner@brunner-communications.de